Kompetenzen

Fachset Naturwissenschaften

Auf dieser Website werden die Ergebnisse der Arbeiten im Fachset Naturwissenschaften des Hamburger Schulversuchsprogramms alles>>könner (2008-2013) präsentiert. Thema war die Weiterentwicklung der Kompetenzorientierung des naturwissenschaftlichen Unterrichts. Das Fachset bestand aus 14 Hamburger Lehrkräften, 2 Setkoordinatoren, einer Vertreterin des Landesinstitut für Schule und drei Mitgliedern des Instituts für Didaktik der Naturwissenschaften der Universität Bremen.

Kompetenzorientiert unterrichten: Arbeitsgrundlage

Am Beginn der Arbeit im Fachset Naturwissenschaften wurden zwei Fragen intensiv diskutiert, die auch in Lehrerfortbildungsveranstaltungen immer wieder gestellt werden (vgl. Leisen 2011):

  • Worin unterscheidet sich kompetenzorientierter Unterricht von dem Unterricht, den wir bisher erteilen?
  • Geht Kompetenzorientierung nicht zu Lasten des inhaltlichen Lernens?

Die Diskussionen führten zu folgender Arbeitsgrundlage:

  1. Unterricht, der nicht allein von den Fachinhalten dominiert ist, sondern die fachmethodischen Fähigkeiten – oder allgemeiner: die prozessorientierten Kompetenzen – mit berücksichtigt, hat es auch schon vor der Kompetenzorientierung gegeben. Um den naturwissenschaftlichen Unterricht weiterzuentwickeln, kommt es jedoch darauf an, diejenigen Fähigkeiten genauer in den Blick zu nehmen, von dem man bisher angenommen hat, dass sie in einem Lernarrangement quasi automatisch mitgelernt werden. Die Annahme etwa, das Planen von Experimenten werde von den Schülern en passant mitgelernt, wenn sie im Unterricht experimentieren, ist nach den Ergebnissen fachdidaktischer Studien nicht gerechtfertigt. Prozessbezogene Kompetenzen müssen vielmehr im Unterricht direkt thematisiert werden – ebenso wie die Fachinhalte.
  2. Einen kompetenzorientierten naturwissenschaftlichen Unterricht erkennt man an folgenden Merkmalen:
    • Der Unterricht spricht alle vier Kompetenzbereiche der Bildungsstandards an (Fachwissen, Fachmethoden, Kommunikation und Bewertung).
    • Begleitend zum Erwerb von Fachwissen werden die prozessbezogenen Kompetenzen – z. B. des Experimentierens, des Modellierens, des Einsatzes fachbezogener Kommunikationsmittel und der Bewertung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse – explizit zum Thema des Unterrichts.
    • Jeweils ausgewählte prozessbezogene Kompetenzen werden mit Aufgabenstellungen und Arbeitsaufträgen gezielt gefördert.
    • Lehrkräfte orientieren sich bei der Entwicklung von Aufgabenstellungen an Kompetenzmodellen. Überlegungen lauten z. B.:
      • Was genau will ich mit einem bestimmten Experiment erreichen? (Fachwissen oder/und Fachmethoden)
      • Welche Teilfähigkeit des Experimentierens soll mit dem Experiment gefördert werden?
    • In Leistungsbewertungen werden alle Kompetenzbereiche einbezogen – allerdings gewichtet: fachinhaltliche und fachmethodische Fähigkeiten haben eine besondere Bedeutung in naturwissenschaftlichen Unterricht.
  3. Kompetenzorientierung des Unterrichts erfordert vor allem ein Umdenken bei den Lehrkräften bei der Unterrichtsplanung. Das bisher oftmals von den Fachthemen dominierte Denken muss durch den Blick auf die an den Inhalten zu erwerbenden Fähigkeiten ausbalanciert werden. Daher wurden in der Fachgruppe Kompetenzmodelle, veranschaulicht als Fähigkeitsraster, für die bei der Vermittlung bzw. dem Erwerb der jeweiligen Kompetenz zu bedenkenden Aspekte entwickelt. Die Modelle sollen bei der Unterrichtsplanung Orientierung geben. Es ging in der Arbeit der Fachgruppe also weniger um die Neuentwicklung einzelner Lernarrangements, sondern vielmehr um Leitgesichtspunkte für deren Entwicklung. Die Umsetzung in Form konkreter Lernarrangements erfolgt in den Fachteams an den Schulen des Fachsets.

Was ist ein Kompetenzmodell?

Was ist eigentlich ein „Kompetenzmodell“? Für eine Beschreibung dieses in der aktuellen Bildungsdiskussion häufig zu hörenden Begriffs sollte man von den Funktionen eines Kompetenzmodells ausgehen:

•  Für die Planung und Gestaltung von Unterricht ist ein Kompetenzmodell ein Gerüst von Kategorien bzw. ein Kategorienraster für die systematische Beschreibung der Fähigkeiten, die Schüler im Unterricht erwerben sollen und auf die der Unterricht entsprechend gezielt abgestimmt werden muss (vgl. Schecker & Parchmann, 2006).

Das Kompetenzmodell der nationalen Bildungsstandards (KMK 2004; Schecker & Wiesner 2007) hat für die drei Naturwissenschaften drei Hauptkategorien: Kompetenzbereich, Anforderungsbereich und Basiskonzept (s. Abb. 1). In dieses Raster kann man z. B. Lernaufgaben wie in ein Koordinatensystem einordnen: Welcher Kompetenzbereich wird hauptsächlich angesprochen, welche Art von Anforderungen wird gestellt und welches Basiskonzept steht hinter den Inhalten der Aufgabe? Daraus ergibt sich eine Verortung der Aufgabe in dem dreidimensionalen Raster.

Kompetenzmodell
(zum Vergrößern bitte anklicken)
Abb. 1: Kompetenzmodell der Bildungsstandards Physik (nach Schecker & Wiesner 2007); der Grundaufbau ist für alle drei Naturwissenschaften identisch, lediglich die jeweils genannten Basiskonzepte unterscheiden sich.

Man kann nun Kompetenzmodelle auch für enger umrissene Fähigkeitsbereiche formulieren, z. B. für das Experimentieren (als Teil des Kompetenzbereichs „Fachmethoden“ bzw. „Erkenntnisgewinnung“). Dafür gilt die gleiche Grundidee wie oben umrissen: Erstellung eines Kategorienrasters für die systematische Beschreibung von Fähigkeiten – hier allerdings feiner aufgegliedert (s. Abb. 2). Solche Kompetenzmodelle eignen sich auch im Rahmen von Rückmeldeprozessen. Dann hat das Modell eine andere Funktion als oben benannt:

•  Als Rückmeldeformat ist ein Kompetenzmodell ein Fähigkeitsraster, das in Gesprächen mit und Schülern oder mit deren Eltern dazu dient, den Lernstand inhaltlich aufgeschlüsselt zu beschreiben. Es kann zudem als Formulierungshilfe für alternative Rückmeldeformate (Nicht-Notenzeugnisse) herangezogen werden.

Modell zur experimentellen Kompetenz
(zum Vergrößern bitte anklicken)
Abb. 2: Fähigkeitsraster zum Experimentieren (Die Anregung der grafischen Darstellung als „Spinnennetz“ geht zurück auf Stäudel, 2004).

Außerdem kann ein solches Raster im Unterricht verwendet werden, um Schülern zu verdeutlichen, welche Fähigkeiten sie im folgenden Unterrichtsabschnitt anhand eines Arbeitsauftrags erwerben bzw. festigen sollen. Dafür muss das Modell allerdings in einer Form und Sprache vorliegen, die von Schülern verstanden werden kann – was insbesondere bei jüngeren schwierig sein kann.

Fähigkeitsraster, die als Rückmeldeformate genutzt werden, sollten eine Stufung enthalten, die den Grad des Erwerbs der Einzelfähigkeiten erfasst. Im Fachset Naturwissenschaften wurde dies bei den Rastern zum Experimentieren und zum Umgang mit naturwissenschaftlichen Modellen auf einer dreistufigen Skala unter einem erheblichen Erarbeitungsaufwand erreicht (s. Punkte 2.2.6 u. 2.3.5). Dabei bestand die Schwierigkeit nicht darin, pauschale Stufen zu formulieren (z. B. „voll erreicht“, „teilweise erreicht“, „noch große Anstrengungen erforderlich“), sondern darin, die drei Stufen inhaltlich auszuweisen.