Abschlusstagung


Die Abschlusstagung des Modellversuchs BINGO fand am 15. und 16. Dezember 1999 in Bremen-Vegesack statt. Die inhaltliche Gestaltung entsprach der Schwerpunktsetzung des Unterrichtskonzepts: Am ersten Tag fanden Vorträge und Diskussionen zum Thema "fächerübergreifender Unterricht" statt, der zweite Tag stand unter dem Thema "Berufsorientierung und Schlüsselqualifikationen im Unterricht der gymnasialen Oberstufe". Eingeladen waren über die BLK-Projektgruppe "Innovationen im Bildungswesen" Vertreter aus anderen Bundesländern und aus Bremer Schulen. Die Veranstaltung hatte über 40 Teilnehmer. Im Tagungsverlauf und in der abschließenden Diskussion wurden Bedingungen, Möglichkeiten, Ziele und Grenzen des fächerübergreifenden und berufsorientierenden Unterrichts erörtert.


Tagungsprogramm

15.12.1999

Schwerpunkt: Fächerübergreifender Unterricht

13.30 - 13.45

Begrüßung (Dr. Rolf Möhlenbrock, Landesinstitut für Schule)

13.45 - 14.15

Konzeption des Modellversuchs (Dr. H. Schecker)

14.15 - 15.00

Die Arbeit im Rahmenthema "Licht und Farbe" (A. Roschke, H. Hübner)

15.30 - 16.15

"BINGO aus Sicht des Modellversuchs PING" (Dr. K. Mie, IPN Kiel)

16.15 - 16.45

Selbstorganisation und Stress: BINGO aus der Sicht von SchülerInnen (J. Ozolins, M. Deubelius)

16.45 - 17.30

"BLAU - Farbe und Phänomen. Erfahrungen aus der Lehrerfortbildung zu einem fachübergreifenden bzw. fächerverbindenden Thema" (Dr. G. Bieber, PLIB Ludwigsfelde)

17.30 - 18.30

Diskussion "Fächerverbindender Unterricht: Möglichkeiten und Grenzen (auf dem Podium: Dr. Bieber, Dr. Mie, Dr. Bethge, B. Winter)

16.12.1999

Schwerpunkt: Berufsorientierung

9.00 - 9.15

Begrüßung und Einführung in den Schwerpunkt (D. Rettkowski, Schulleiter SZ Alwin-Lonke-Str.)

9.15 - 10.00

Förderung von Schlüsselqualifikationen am Beispiel der Rahmenthemen "Klima und Atmosphäre" und "Gentechnik" (C.-O. Spichal, B. Winter)

10.30 - 11.30

Bedeutung der Schlüsselqualifikationen aus der Sicht der Wirtschaft (A. Boehme, A. Edzard, Wirtschaftsjunioren der Handelskammer Bremen)

11.30 - 12.00

Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung (Dr. H. Schecker)

12.00 - 13.00

Abschlussdiskussion: Bedeutung des Modellversuchs für die Bremer Schulentwicklung (auf dem Podium Herr Bruns, Senator für Bildung, Herr Müller, Landesinstitut für Schule, Frau Jamnick, CDU Bremen, Herr Hübner)

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Tagungsverlauf

Die Abschlusstagung sollte den TeilnehmerInnen einen weitgefächerten Einblick in die Arbeit der KollegInnen des Modellversuchs BINGO und den daraus resultierenden Ergebnissen wie auch Querverbindungen zu ähnlichen Projekten vermitteln. Die Gliederung der Tagung in zwei Abschnitte entspricht den beiden Schwerpunkte des Modellversuchs: fächerübergreifender Unterricht und Berufsorientierung. Theorie und Praxis stehen in den einzelnen Beiträgen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander, so dass der Bezug zu Schule und Unterricht gewährleistet ist. Betrachtungen zum Modellversuch BINGO werden aus unterschiedlicher Sicht gegeben. So werden neben Darstellungen aus der Arbeit im Modellversuch selbst Meinungen von Vertreter der Wirtschaft ebenso dargelegt wie die Wahrnehmung von BINGO durch Vertreter anderer, wissenschaftlicher Institutionen und die Erfahrungen von SchülerInnen mit der Durchführung des Konzeptes. Für ausreichend Zeit zum Austausch von Ansichten und Meinungen ist durch die Strukturierung ebenfalls gesorgt.

Einerseits konnten mehr als 40 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Bundesländern vielfältige Eindrücke vermittelt werden, andererseits hat das BINGO-Team zahlreiche Anregungen und Hinweise aufnehmen können.

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Erster Tag

Nach der Begrüßung der Teilnehmer durch Herrn Dr. Möhlenbrock als zuständiger Referent für Modellversuche im Bildungswesen am Landesinstitut für Schule in Bremen hat Herr Dr. Schecker die Konzeption des Modellversuchs vorgestellt und damit die TeilnehmerInnen in die Thematik eingeführt. Anhand eines Beispiels, der Darstellung der Arbeit im Rahmenthema "Licht und Farbe" konnten Frau Roschke und Herr Hübner die Gestaltung des Unterrichts im BINGO-Konzept mit dem Schwerpunkt "Fächerübergreifender Unterricht" wirklichkeitsnah und farbig darstellen. Der Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis wurde deutlich.

Nach Diskussionen in kleineren und größeren Gruppen auch in der Pause stellte Herr Dr. Mie, Universität Kiel, Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, seine Sichtweise auf den Modellversuch BINGO dar. Herr Dr. Mie knüpfte Verbindungen zwischen dem Modellversuch PING, in dem fächerübergreifende Strukturen im naturwissenschaftlichen Unterricht der Sekundarstufe I entwickelt worden sind. Nachdem die bisherigen Beiträge hauptsächlich die Sicht der Unterrichtenden auf Konzepte, Strukturen und Realisierbarkeit im Unterricht berücksichtigt haben, sollten in einem weiteren Beitrag die Sicht der SchülerInnen erläutert werden. Zwei ehemalige Schülerinnen des ersten Erprobungsjahrgangs hatten sich bereit erklärt, ihre Erfahrungen mit der Unterrichtskonzeption zu schildern. In einem mit subjektiven Empfindungen bunt gemischten Vortrag wurden den ZuhörerInnen Eindrücke von Stress, Spass, Enttäuschung und Erfolgserlebnissen vermittelt.

Ein weiteres Beispiel für fächerübergreifende Arbeit stellte Herr Dr. Bieber, Pädagogisches Landesinstitut Brandenburg, dar. In seinem Bericht wurde die Vermittlung der Ideenvielfalt zum fächerübergreifenden Unterricht im Rahmen von Lehrerfortbildung beschrieben.

Eine Diskussionsrunde zu den erlebten Beiträgen einerseits und darüber hinausgehenden Meinungen mit allen TeilnehmerInnen der Tagung sowie insbesondere auf dem Podium Dr. Bieber, Dr. Mie, Dr. Bethge, Landesinstitut für Schule Bremen, sowie B. Winter hat den offiziellen Teil des ersten Veranstaltungstages abgerundet.

Wer Lust und Zeit hatte, war eingeladen nach einem Spaziergang rund um den winterlichen Hafen von Vegesack und das weihnachtlich geschmückte Geschäftsviertel an einem Abendessen teilzunehmen. Das anschließende gemütliche Beisammensein diente dem weiteren Gedankenaustausch.

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Zweiter Tag

Der zweite Tag der Abschlusstagung hatte als Schwerpunkt den zweiten, wichtigen Aspekt des Modellversuchs, die Berufsorientierung. Die Einführung in das Thema gestaltete Herr Rettkowski, Schulleiter des Schulzentrums Sek. II an der Alwin-Lonke-Strasse, aus seiner Sicht als Leiter einer Schule mit beruflichem Schwerpunkt.

Die Förderung von Schlüsselqualifikationen sind ein Aspekt der Berufsorientierung im Modellversuch BINGO. Am Beispiel von zwei Rahmenthemen wurden Methoden zum Training von Schlüsselqualifikationen dargestellt.

Nach einer Pause konnte die Bedeutung von Schlüsselqualifikationen aus der Sicht der Wirtschaft von zwei Mitgliedern des Juniorenkreises der Handelskammer Bremen, Herrn Achim Boehme und Herrn Albrecht Edzard, veranschaulicht werden. Den TeilnehmerInnen konnte die Relevanz dieser Thematik wie auch der Stellenwert und die Notwendigkeit eines Programms verdeutlicht werden.

Nach der Darstellung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung durch Herrn Dr. Schecker konnte in einer Abschlussdiskussion unter Beteiligung aller TeilnehmerInnen die Bedeutung des Modellversuchs für die Bremer Schulentwicklung wie auch die daraus resultierenden Wünsche an die für die Unterstützung von Schulen in ihren Entwicklungsvorhaben zuständigen Referenten zusammengetragen werden.

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Ergebnisse

Fächerverbindender Unterricht

Die Grundbedingung für BLK-Modellversuche, die Übertragbarkeit der entwickelten Modelle sowie deren Durchführbarkeit im normalen Unterrichtsalltag, wurde besonders im Zusammenhang mit dem Konzept des fächerverbindenden Unterrichts problematisiert. Da das BINGO-Konzept kursübergreifende Anteile in den Projektphasen beinhaltet, ist es wünschenswert, den Unterricht zumindest teilweise zeitlich parallel zu legen, um die Betreuung der Arbeitsgruppen durch KollegInnen aller beteiligten Fachrichtungen sicherzustellen und den SchülerInnen zusätzliche terminliche Probleme zu ersparen. Diese nur den Stundenplan betreffenden Rahmenbedingungen wurden von den TagungsteilnehmerInnen als notwendig und organisierbar betrachtet, wenn entsprechende Wünsche rechtzeitig vor der Einordnung der Kurse in das Stundenraster angegeben werden.

Als weiteres organisatorisches, aber auch die KollegInnen belastendes Problem wurde die Teamarbeit angesehen. Die erhöhte bzw. hohe Unterrichtsverpflichtung der LehrerInnen schränkt die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ein, weil weder im Stundenplan noch am Nachmittag ausreichend Raum für Arbeits- bzw. Planungsgruppen vorhanden ist. Gerade im naturwissenschaftlichen Unterricht muss aber ein großerTeil der Vorbereitung in der Schule stattfinden, um Experimente zu erproben, Material zu sichten etc.

Der Vorschlag der am Modellversuch beteiligten KollegInnen, die notwendige curriculare und methodische Arbeit im Team an Wochenenden und/oder Ferientagen durchzuführen, erschien den Tagungsteilnehmern sinnvoll, weil damit eine ruhige und effektive Arbeitsatmosphäre geschaffen werden konnte. Das Problem der erhöhten Arbeitsbelastung ist damit jedoch nicht zu beheben. Es relativiert sich nach Meinung des BINGO-Teams jedoch dadurch, dass der hohe Aufwand nur bei der Entwicklung und Durchführung des neuen Unterrichtskonzepts notwendig ist, während in den folgenden Durchgängen nur inhaltliche und/oder methodische Überarbeitungen innerhalb der vorgegebenen Themen erfolgen müssen, wie dies auch im normalen Unterricht der Fall ist. Als wichtigstes Argument für die Teamarbeit wurde jedoch die im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht größere Zufriedenheit der beteiligten LehrerInnen betrachtet. Zu dieser Zufriedenheit beigetragen haben die gemeinsamen, fächerübergreifend erarbeiteten Konzepte, die gegenseitige Fortbildung an den Projekt- und Unterrichtsthemen und damit letztendlich die Aufhebung der Isoliertheit des einzelnen Kollegen.

Als ein weiteres wesentliches Problem wurde die Frage erörtert, was fächerübergreifenden bzw. fächerverbindender Unterricht in der gymnasialen Oberstufe leisten kann und muss. Einigkeit wurde sehr schnell darüber erzielt, dass in Abgrenzung zu PING, wo schon in den Jahrgängen 9 und 10 Probleme festgestellt wurden, integrierter naturwissenschaftlicher Unterricht aus Gründen der fachlichen Anforderungen allenfalls in ganz geringem Umfang durchgeführt werden kann, so dass das Fachlehrerprinzip erhalten bleiben muss. Darüber hinaus wurde das Verhältnis zwischen fachimmanenten und übergreifenden Inhalten des BINGO-Konzepts hinterfragt. Es wurde auf die Gefahr hingewiesen, die Vermittlung von Fachwissen zu vernachlässigen zugunsten der übergeordneten Problemstellung, die ja nicht aus enger fachwissenschaftlicher Systematik abgeleitet wird, sondern in den (epochaltypischen) Schlüsselproblemen begründet ist. Aus Sicht der BINGO-KollegInnen kann dieses Problem in Grenzen gehalten werden, indem die inhaltliche Planung der Halbjahre auf der Grundlage der EPA´s und der Lehrpläne der beteiligten Fächer erfolgt. Dem KollegInnenteam kommt damit auch die Aufgabe zu, eine durchdachte und problemorientierte Auswahl der Fachinhalte zu treffen.

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Schlüsselqualifikationen und Berufsorientierung

Im Einzugsbereich des Schulzentrums Alwin-Lonke-Straße wird im Rahmen des Arbeitslehre/Politik-Unterrichts bereits in der 9. Jahrgangsstufe ein Betriebspraktikum durchgeführt. Bei der Entwicklung eines Konzepts zur Berufsorientierung in der gymnasialen Oberstufe war folglich zu überlegen, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, die SchülerInnen sowohl auf eine Berufsausbildung als auch auf ein Studium vorzubereiten. In diesem Zusammenhang erhalten dann die von Vertretern der Wirtschaft und Bildungsexperten eingeforderten Schlüsselqualifikationen einen hohen Stellenwert für die Unterrichtspraxis. Die Förderung und das Training von Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit oder Problemlösefähigkeit ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil des BINGO-Konzepts zur Berufsorientierung und schlägt sich nieder in der Gestaltung der Halbjahre. Diese Schwerpunktsetzung wurde bestätigt in einem Referat zweier Mitglieder der "Bremer Wirtschaftsjunioren", die die große Bedeutung dieser überfachlichen Qualifikationen für das Studium und ihre berufliche Praxis herausstellten.

In der Diskussion über den Stellenwert von Schlüsselqualifikationen für die Unterrichtsgestaltung wurde festgestellt, dass sie nicht als Strukturierungsgrundlage für Curricula herangezogen werden dürften, weil damit die übergeordneten fachlichen Anteile und gesellschaftlich relevanten Problemstellungen in den Hintergrund treten würden. Schlüsselqualifikationen sollen nicht selbst Gegenstand des Unterrichts sein, sondern von den SchülerInnen im Prozess der Auseinandersetzung mit Sachproblemen erworben und geübt werden.

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Individualisierung und Perspektivlosigkeit der Jugendlichen wurde die Notwendigkeit aufgezeigt, als weitere Kompetenzen die Fähigkeit zur Berufs- und Studienwahl zu vermitteln. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch die Frage zu verstehen, ob der Aspekt "Berufsorientierung" im BINGO-Konzept stärker gewichtet werden müsste. Da die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des Trainings von Schlüsselqualifikationen den SchülerInnen jeweils im Arbeitsprozess verdeutlicht wird und schließlich in der Notenfindung z.B. als Bewertung der Präsentation, der Darstellung von Arbeitsergebnissen im Gespräch oder der Teilnahme am Gruppenarbeitsprozess seinen Ausdruck findet, erfolgt damit schon unserer Meinung nach eine besondere Gewichtung dieses Bereichs. Eine weitere Möglichkeit zur Stärkung des berufsorientierenden Anteils wurde darin gesehen, Fachleute in die Schule zu holen, um den Praxisbezug zu verdeutlichen. Selbstverständlich ist es auch sinnvoll Praktika zu vermitteln, obwohl dies nur in Grenzen und unter besonderen Fragestellungen erfolgen kann, da einerseits die Arbeitsbelastung der SchülerInnen und LehrerInnen hier Grenzen setzt, andererseits aber auch die Jugendlichen durch Ferienjobs und nachmittägliche berufliche Tätigkeit Einblicke in die Arbeitswelt erhalten. Als weiteren Baustein enthält das BINGO-Konzept einen Tag für die SchülerInnen, an dem sie sich über verschiedene Berufsfelder informieren können. Dazu stehen ihnen Fachleute aus Wirtschaft, Verwaltung, Universität usw. Rede und Antwort.

Die Übertragung des Modells auf andere gymnasiale Oberstufen oder andere Bildungsgänge der Sekundarstufe II ist unproblematisch und ist an unserem Schulzentrum bereits für den Bereich Fachoberschule durchgeführt worden. Innerhalb der gymnasialen Oberstufe des SZ Alwin-Lonke-Straße wird zur Zeit ein Konzept entwickelt, das die Förderung der Schlüsselqualifikationen als einen Schwerpunkt für alle Aufgabenfelder der gymnasialen Oberstufe enthält.

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Zusammenfassung

Die Abschlusstagung hat gezeigt, dass das Interesse an neuen, zeitgemäßen Unterrichtsmodellen nach wie vor vorhanden ist, dass jedoch die organisatorischen Rahmenbedingungen für deren Entwicklung und Durchführung an den Schulen geschaffen werden müssen. Vor allem muss jedoch eine innerschulische Projektförderung für interessierte KollegInnen in der Entwicklungs- und Erprobungsphase durch Stundenentlastung gewährt werden. (Beispiel: Schulbegleitforschungs-Modell)

Als weitere Maßnahme wird die Bündelung von Informationen und Aktivitäten an zentraler Stelle vorgeschlagen, um so auch deren Verbreitung zu gewährleisten und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen.

Als besonders geeignet, die Bereitschaft und Fähigkeit der KollegInnen zur Innovation zu erhalten und zu fördern, wurde die Lehrerfortbildung angesehen, die jedoch aus Gründen der Arbeitsbelastung nicht ausschließlich in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden darf.

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Last modifications made on February 23, 2000 by Horst Schecker