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Kernumwandlung und radioaktive Strahlung
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Da bei Kernumwandlungen die Atommassen der Elemente in Vielfachen der atomaren Masseneinheit (relative Atommassen) ausgedrückt werden, mußten zunächst diese, auf das Kohlenstoffisotop C-12 bezogenen Größen eingeführt werden. Auch die zur Angabe einer Stoffmenge relevante SI-Basiseinheit "Mol" und die hierauf beruhende Avogadro-Zahl wurde den SchülerInnen nahegebracht, um insbesondere Massenangaben in Kilogramm eines Stoffes in die Stoffmenge umrechnen zu können und umgekehrt.
Ferner wurde auf die bei der natürlichen Radioaktivität auftretenden vier Zerfallsreihen, die Thorium-Reihe, die Uran-Radium-Reihe, die Uran-Actinium-Reihe und die bereits ausgestorbene Neptunium-Reihe eingegangen und in diesem Zusammenhang die bereits im Halbjahr 13/1 bei den Absorptionsvorgängen angesprochenen drei Strahlungsarten, Alpha, Beta und Gammastrahlung, mit ihren prinzipiellen Reaktionsgleichungen und ihren spezifischen Eigenschaften wiederholt.
Der zentrale Versuch in dieser Unterrichtssequenz war die Beobachtung der zeitlichen Änderung der Radioaktivität von gasförmigem Radon 220 in einer Ionisationskammer.
Um die praktische Bedeutung des Zerfallsgesetzes aufzuzeigen, wurden einige Methoden zur Altersbestimmung mit Hilfe radiaktiver Nuklide vom Prinzip her besprochen und ihre Anwendung durch entsprechende Aufgaben eingeübt. Raum ein. Anhand eines Zeitungsartikels "Ötzi ist älter als vermutet" (Weser-Kurier vom 22.02.92) wurde die Aktualität aber auch die Problematik dieser Bestimmungsmethode, die prinzipell in der angenommenen Anfangsaktivität des C-14 Kohlenstoffs begründet ist, aufgezeigt.
Über die Besprechung des historischen Versuchs, mit dem Chadwick 1932 durch Beschuss von Beryllium mit Teilchen zum ersten Mal freie Neutronen erzeugte, wurde den SchülerInnen die Erzeugung von Radioisotopen erklärt. Auf die Anwendung von Radionukliden als Leitisotope in der Biochemie, in der Molekularbiologie und in der diagnostischen Medizin wurde in Anlehnung an die Thematik in 13/1 kurz eingegangen.
Die Kürze des Halbjahres und der hierzu erhebliche Stoffumfang gaben Anlaß, sich vor der Klausur über eine Methode zur Repetition des Stoffes Gedanken zu machen. Die Erarbeitung einer graphischen Übersicht, aus der die Begriffe mit ihren Beziehungen untereinander entnehmbar sind, ist ein geeignetes Hilfsmittel, sich mit einem Themenkomplex auseinanderzusetzen. Hierfür erhielten die SchülerInnen je eine Kopie des Abschnitts "Das Mind Mapping" aus "Methodentraining für die Schule von Morgen" (Pädagogik & Hochschulverlag Krefeld, 1998). Anschließend hatte jede(r) SchülerIn die Aufgabe, ein solches Mind-Map mit dem zentralen Schlüsselbegriff "Der radioaktive Zerfall" zu erstellen.
In der hierauf folgenden Stunde erhielten die SchülerInnen die Aufgabe, ihre individuellen Mind-Maps nach sachlichen Gesichtspunkten zu hierarchisieren. Um die begriffliche Diskussion anzuregen, wurden die SchülerInnen aufgefordert, ein solches Concept Map in Dreiergruppen zu erstellen. Jede Gruppe erhielt als Hilfsmittel einen DIN A2 Bogen und Filzstifte. Die SchülerInnen wurden auf diese Weise angeregt, sich miteinander über den zuvor vermittelten Unterrichtsstoff in der zum Aufbau einer derart strukturierten Grafik angemessenen Fachsprache zu unterhalten und hierbei ihr Wissen auszutauschen und zu verfestigen. Sie wurden aber auch mit eigenen kognitiven Defiziten in diesem Themenbereich konfrontiert und hatten die Möglichkeit, diese Defizite gezielt durch Nachfrage innerhalb der Gruppe oder beim Fachlehrer und durch Eigenstudien im Physikbuch auszuräumen. In einer Abschlußbesprechung zum Ende der dritten Unterrichtseinheit wurden die so erstellten Concept-Maps nebeneinander im Unterrichtsraum an die Wand gehängt. Dabei zeigten sich insbesondere Unterschiede, wie detailliert die Gruppen das Thema begrifflich aufgeschlüsselt hatten. Auch hierdurch konnten aufgedeckte Defizite selbst nachbereitet werden.
In der anschließenden Klausur zum Thema "Kernumwandlung und radioaktive Strahlung" zeigten sich in den hier verlangten Beschreibungen zum radioaktiven Zerfall, zu den Zerfallsarten und zur Radiokarbonmethode große Unterschiede in der Benutzung der Fachsprache. SchülerInnen, die im Concept-Map eine hohe begriffliche Differenzierung angestrebt hatten, konnten offensichtlich von ihrer in der Vorbereitung geleisteten Arbeit profitieren. Allerdings hatten auch diese SchülerInnen bei den Rechenanteilen in der Klausur einige Schwierigkeiten, so dass im Durchschnitt nur eine befriedigende bis ausreichende Leistung zustande kam.
In der auf die Klausur folgenden Unterrichtsstunde wurden die SchülerInnen mit einem fiktiven Antrag der Elterninitiative "Schoko-Stopp!", der sich gegen den Verkauf von Schokoladenprodukten am Schulzentrum Alwin-Lonke-Straße richtete, konfrontiert. Sie sollten aus der dem Antrag beigefügten Begründung insbesondere die Aussagen, die aus physikalischer Sicht von Interesse sind, exzerpieren. Die hier angesprochenen Punkte sind die Schädlingsbekämpfung von Kakaobohnen durch konservierende Behandlung mit ionisierenden Strahlen und die durch den Tschernobyl-Unfall radioaktiv verseuchten Nüsse aus Südosteuropa, die in Schokoladenprodukten verarbeitet werden.
Zu der geplanten und durch den Antrag initiierten Podiumsdiskussion "Pro und Contra Schokostopp" fanden sich schnell jeweils zwei Schüler, die als physikalische Experten insbesondere zur Lebensmittelkonservierung mit Hilfe ionisierender Strahlung die Pro- und die Contra-Argumente vertreten wollten. Auch fand sich in diesem Kurs eine Pro-Schokostopp Anwältin, die die Befragung der Experten aus der Sicht der Elterninitiative übernahm. Die SchülerInnen des Kurses, die in der Podiumsdiskussion keine aktive Rolle übernahmen, mußten sich einer der beiden alternativen Pro- oder Contra-Redaktionsgruppen, welche die Experten und Anwälte bei der Materialbeschaffung, der Auswertung und der Formulierung von Argumenten unterstützen sollten, zuordnen.
Grundlegend wurde mit dem gesamten Kurs der Herstellungsweg der Gammaquanten zur Lebensmittelbestrahlung über die Radioisotope Kobalt-60 und Caesium-137 besprochen. Neben einem aus der Aktivmappe "Schokolade" zusammengestellten Überblick von dem Anbau und der Ernte von Kakao-Bohnen mit der hierbei eingesetzten Schädlingsbekämpfung bis zur Herstellung der verschiedenen Schokoladenprodukte mit ihren Zusammensetzungen wurde den SchülerInnen ein Film zur Schokoladenherstellung gezeigt (Dauer ca. 20 Minuten). Eine Zusammenstellung der bei der Lebensmittelbestrahlung auftretenden Fragen und Probleme, die vom Bundesforschungsamt für Ernährung herausgegeben wurde (http://www.dainet.de/bfe/deutsch/bestrfaq. htm) und ein Artikel aus der "taz" vom 17.02.98 "Da lacht der Champignon", der sich insbesondere mit der EU-Bestrahlungsrichtlinie kritisch auseinandersetzt, wurden als Argumentationshilfen im Kurs verteilt. Die SchülerInnen erstellten in ihren jeweiligen Redaktionsgruppen zusammen mit den zugeordneten Experten und Anwälten Argumentationspapiere mit Fakten insbesondere zur Schädlingsbekämpfung bei Kakaobohnen durch Begasung mit Blausäure oder alternativ durch den Einsatz ionisierender Gammastrahlung, zum Cadmiumgehalt der Kakaopflanzen, zur Haltbarkeit von Schokolade und zur Bekämpfung von Aflatoxinen (giftige Schimmelpilze) bei Nüssen. Dass sich die Experten und Anwälte gut mit dem Themenkomplex auseinandergesetzt hatten, wurde in der überwiegend mit Sachargumenten geführten, sehr lebhaften Podiumsdiskussion deutlich.
Die hier von den fünf aktiv beteiligten SchülerInnen gezeigten Leistungen gingen zu etwa einem Drittel in ihre Gesamtbenotung, die sich zu einem weiteren Drittel aus den in diesem Halbjahr gezeigten mündlichen Leistungen und zu einem Drittel aus der Klausurnote zusammensetzte, ein. Die übrigen sieben SchülerInnen wurden etwa hälftig nach ihren mündlichen Leistungen und ihrer Klausurnote insgesamt bewertet.