Ursachen der Sichelzellanämie (Verf.: B. Winter & C. Wieland)

Hämoglobin des Menschen

Mit der Erforschung des menschlichen Hämoglobins wurde zugleich eine Erbkrankheit entdeckt, die Sichelzellanämie. Die roten Blutkörperchen der Menschen, die an dieser Krankheit leiden, nehmen in einem sauerstoffarmen Milieu eine sichelartige Form an. Die Sichelzellanämie tritt vor allem bei Menschen aus sogenannten Malaria-Gebieten auf. Folgen dieser Erbkrankheit sind akute Blutarmut, Durchblutungsstörungen in vielen Organen, Schäden vor allem an Milz und Herz und Lähmungen. Die Betroffenen sterben meist vor ihrem 14. Lebensjahr. Sichelzellanämie wird rezessiv vererbt, die Kranken besitzen das mutierte Gen zweifach, es liegt also homozygot vor. Die heterozygoten Träger des Sichelzellgens sind unter Normalbedingungen gesund. Doch bei extremer Sauerstoffarmut sind auch bei ihnen Sichelzellen nachweisbar.

Jedes Hämoglobinmolekül besteht aus vier charakteristisch gefalteten Globinketten. Jede Globinkette wird von etwa 140 Aminosäuren gebildet. HbA und HbS bestehen aus zwei alpha-Ketten und zwei beta-Ketten. Die vier Ketten sind über eine Hämgruppe, an die die Sauerstoffmoleküle beim Transport im Blut gebunden werden, miteinander zu einem gemeinsamen Molekül verknüpft. Beim HbA und HbS sind die alpha-Ketten vollständig identisch. Von den 146 Aminosäuren einer ß-Kette ist dagegen beim HbS nur eine einzige Aminosäure vom HbA verschieden, die Glutaminsäure in Position 6 (Abschnitt A) ist durch Valin ersetzt. HbS ist also das Ergebnis einer Mutation in dem DNA-Abschnitt für die alpha-Kette. Dabei wird lediglich eine Aminosäure als Ergebnis ausgetauscht.

Mutation zum HbS-Gen

Glutaminsäure wird durch Valin ersetzt und verändert damit die Stabilität der Struktur des Hämoglobins sehr. Da die Veränderung sich auf die Oberfläche des Hämoglobinmoleküls auswirkt, kommt es zu einem anderen Bindungsverhalten. Da Glutaminsäure im Gegensatz zu dem lipophilen Valin einen hydrophilen Charakter besitzt, ändert sich das Bindungsverhalten an der entsprechenden Stelle der alpha-Kette. Bei Sauerstoffarmut verändert sich Die Struktur des Moleküls so, dass die roten Blutkörperchen eine Sichelform annehmen. Ist dies einmal passiert, so behalten diese Zellen ihre Form. Sie können nur noch abgebaut werden (z.B. in der Milz). Somit stehen dem Köprer weniger Blutkörperchen zur Verfügung, es entsteht Anämie. Die Sichelform führt außerdem zu einer Verstopfung der Gefäße und damit zu Durchblutungsstörungen.

Sichelzellanämie tritt vorwiegend bei Menschen aus tropischen Regionen auf, da die heterozygoten Träger des Sichelzellgens einen Selektionsvorteil haben. Sie sind resistent gegen Malaria.


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