(eb) Gentechnisch veränderte Lebensmittel müssen künftig in bestimmten Fällen gekennzeichnet werden. Das hat das Europäische Parlament in der vergangenen Woche beschlossen. Die Kennzeichnungspflicht bezieht sich aber nur auf solche Produkte, die sich in ihrer Qualität von gleichwertigen herkömmlichen Erzeugnissen unterscheiden. Zucker zum Beispiel der aus gentechnisch behandelten Zuckerrüben gewonnen wird ist nicht kennzeichnungspflichtig, da er chemisch mit dem normalen Zucker identisch ist. Bei Tomaten dagegen, die durch genetische Veränderungen haltbarer gemacht wurden, muß dies ausgewiesen werden. Auch Ketchup, Mark oder andere Zubereitungen aus derartigen "Anti-Matsch Tomaten" muß entsprechend gekennzeichnet sein. Die Verordnung hat aber nur Sinn, wenn sie auch überwacht werden kann. Dazu gehören sichere Nachweis verfahren.
Da diese Problematik zu erwarten war, hat das Bundesgesundheitsministerium schon vor zwei Jahren eine Kommission des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV) beauftragt, Nachweisverfahren zu suchen, die zur amtlichen Überprüfung von Lebensmitteln geeignet sind. An diesem
Entwicklungsprogramm sind das Labor für Bioanalytik unter der Leitung von Professor A. Hildebrandt an der Universität Bremen und die Firma Hanse-Analytik beteiligt. Sie entwickelten eine schon bekannte Methode weiter, mit der die Gene, die künstlich in einen Organismus eingebracht wurden, identifiziert werden können. Sind zum Beispiel Erdbeeren durch ein Antifrost-Gen aus der Flunder unempfindlich gegen Frost gemacht worden, muß dieses zusätzliche Gen, das herkömmliche Erdbeeren nicht enthalten, nachgewiesen werden können. Mit diesem Verfahren kann jedes beliebige Gen, also auch das neue, künstlich eingebrachte, ,,sichtbar gemacht werden. Voraussetzung ist aber, daß die Abfolge der Bausteine des gesuchten Gens bekannt ist.
Die Methode wurde im vergangenen Jahr in einer Reihe von Laboratorien in ganz Deutschland an zwei ausgewählten Proben an einem Bakterium und an Kartoffeln überprüft. Dabei mußte festgestellt werden, welche der Proben gentechnisch verändert war. Da die Methode sich als zuverlässig erwies, ist mit der amtlichen Zulassung des Verfahrens demnächst zu rechnen, berichtete Professor Hildebrandt. Eine große Schwierigkeit bleibt jedoch nach Angaben des Wissenschaftlers noch: Es können mit der Methode bisher nur Gene in gentechnisch veränderten Organismen nachgewiesen werden, die der Hersteller dieser Organismen bekanntgegeben hat. Der Nachweis gelingt also nur, wenn man weiß, wonach man zu suchen hat.
Besonders wichtig ist aber natürlich auch die Antwort auf die Frage, ob bei einem Nahrungsmittel gentechnische Veränderungen an den biologischen Rohstoffen geheimgehalten wurden. An diesem Problem arbeitet das Labor von Professor Hildebrandt zur Zeit. In Zusammenarbeit mit dem Labor Hanse-Analytik wurde ein Verfahren entwickelt, das zusätzliche Gene auch dann sichtbar machen soll, wenn deren Baustein-Sequenz nicht bekannt ist. Dieses Verfahren verspricht bei Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen zum Erfolg zu führen. Derartige Mikroorganismen sind zum Beispiel in Käse oder fermentierter Rohwurst enthalten. Sind sie gentechnisch verändert, stellen sie ein gewisses gesundheitliches Risiko dar, weil eine Gen-Übertragung auf die natürliche Darmflora möglich ist. Professor Hildebrandt fordert daher für derartige lebende Mikroorganismen, in Nahrungsmitteln eine strikte Überwachung der Kennzeichnungspflicht.
Quelle: Weser-Kurier, 23.3.97